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Fotografische Impressionen von den Dreharbeiten zu Herbert Krills Dokumentarischem Filmbericht über Lion Feuchtwanger.
FEUCHTWANGER LEBT! ist unter den rund sechzig Nominierten des diesjährigen Grimme-Preises (= the German Emmy Awards).
Genaugenommen ist es der “Sonderpreis Kultur des
Landes Nordrhein-Westfalen”, für den die Doku vorgeschlagen ist.
Dieser Preis “geht im jährlichen Wechsel an eine Produktion, die besonders
geeignet ist, das Verständnis und die Deutung von Werken der Literatur, der
bildenden Kunst, der Architektur, der Musik, des Theaters und des Films zu
wecken und zu vertiefen; oder an eine Produktion, die wegen ihrer
vorbildlichen ästhetischen, informativen, orientierenden und emotionalen
Qualitäten zur spezifischen kulturellen Bildung von Kindern beiträgt.
Besonders gewürdigt werden können dabei Produktionen, die die mediale
Kompetenz und die Weiterentwicklung medialer Formen fördern.”
Die Preisverleihung findet in Marl am 3. April statt.
© Friedrich Knilli • Zitate und Wiedergabe nur gegen Honorar und auf Anfrage
Zur 3sat-Sendung „Feuchtwanger lebt“ von Herbert Krill
[Erstsendung am 17.12. 2008. Lion Feuchtwanger starb am 21. 12. 1958.]
Es ist der Fernblick, der die Münchener in die Berge lockt, der hohe Himmel und der Blick hinunter ins Tal und in das sich dahinter ausbreitende Flussbett. Irgendwann im Leben eine Almhütte zu besitzen, das ist das höchste Glück der meisten Bayern. Und Lion Feuchtwanger konnte sich diesen Traum erfüllen. Er lebte die letzten zwanzig Jahre seine Lebens in der Einsiedelei eines Historikers und Schriftstellers hoch oben auf einem Hügel mit Fernblick auf Strand und Meer. An den Wänden standen Inkunabeln, antike Autoren, barocke Folianten, theologische Schriften, Karikaturen und Flugblätter der Französischen Revolution, und das Vorzeigestück: die „Bestseller“ des jüdischen Historikers Flavius Josephus, eine Sammlung von Drucken aus 400 Jahren. Insgesamt 30.000 Bücher. Wie in einer Klosterbibliothek. Sie waren die Quellenwerke für die wissenschaftliche Fundierung der historischen Romane von der ersten Idee bis zum druckfertigen Manuskript. Seine Schriftstellerei war ein mittelständischer Medienbetrieb, durchrationalisiert und ertragsorientiert. Er war mit Verlagen, Zeitungen und Rundfunkanstalten weltweit im Geschäft, auch mit der Traumfabrik Hollywood. Der Autor Feuchtwanger war 1945 der deutschen Schriftstellerei Jahrzehnte voraus. Wozu also sollte er zurückkehren in ein Land, das ihm seinen Grund und Boden gestohlen hatte, sein Bankvermögen, seine Staatsbürgerschaft aberkannte, seinen Doktor und dessen Richter ihm 50 Jahre nach seinem Tod immer noch das Eigentum an seinem Jud Süß-Stoff verweigern.
Der einzige berufliche Grund zur Rückkehr wäre die deutsche Sprache gewesen, ihr Wortschatz und ihre Grammatik. Denn er musste erfahren; dass die Wirkung seiner Romane in den USA nicht von der deutschen Fassung ausging, in welcher er sie geschrieben hatte, sondern von einer Übersetzung. „Der Widerhall, den wir hören, ist nicht der Widerhall des eigenen Worts. Denn auch die beste Übersetzung bleibt ein Fremdes. Da haben wir etwa um einen Satz, um ein Wort gerungen, und nach langem Suchen haben wir den Satz, das Wort gefunden, die glückliche Wendung, die sich unserem Gedanken und Gefühl bis ins Letzte anschmiegte. Und nun ist da das übersetzte Wort, der übersetzte Satz. Er stimmt, es ist alles richtig, aber der Duft ist fort, das Leben ist fort. Sehr häufig verhält sich der übersetzte Satz zu dem unsern wie eine Übertragung der Bibel in Basic English zum Worte des Herrn“.
Das Wort des Herrn aus Bayern ist unübersetzbar. Hier in München kam Feuchtwanger 1884 zur Welt, in einer gebildeten und frommen Fabrikantenfamilie, die ihren Reichtum mit der Herstellung von Margarine erwarb, mit der „Butter für Arme“ im Königreich Bayern. Der Altbayer Lion wuchs auf zwischen der Synagoge und der Rokokokirche St. Anna in München, zwischen der Zwanghaftigkeit und Pedanterie eines orthodoxen Judentums und dem schlampigen Wunderglauben und Heiligenkitsch der Katholischen Kirche. Die alltäglichen Vorurteile zwischen Juden und Christen und der wöchentliche Kleinkrieg zwischen Kapitalisten und Arbeitern, den er zu Hause beobachtete, der Kampf der armen Leute ums tägliche Brot waren seine politische Themen, die er gerne im historischen Gewande diskutierte, für die er sich sogar Geschichtsdramen ausdachte, historische Romane. Erste Leser dafür fand er mit einer Herzogin, die in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts lebte, die aber ebenso gut in einem Abnormitätenkabinett auf dem Oktoberfest hätte sitzen können. Die Frau besaß eine kleine platte Nase, unter der der Mund äffisch vorsprang mit ungeheuren Kiefern und einer wülstigen Unterlippe. Titel des historischen Romans:„Die Hässlichen Herzogin Margarete Maultasch“. Das war 1923. Sieben Jahr später eine völlig veränderte Lage auf dem Buchmarkt. Der Autor Feuchtwanger ist inzwischen in ganz Deutschland so bekannt, dass er 1930 mit seinem Schlüsselroman „Erfolg“ einen Wettstreit auch unter seinen Lesern in Berlin entfachten konnte, und zwar mit der Frage „Who is who in München?“ Ist Dr. Lorenz Matthäi tatsächlich der Schriftsteller Ludwig Thoma und Josef Pfisterer der Bestsellerautor Ludwig Ganghofer. Und der ungepflegte, mit Dreitagebart herum laufende sozialistischer Ingenieur und Balladendichter Kaspar Pröckl, der soll Bertolt Brecht sein? Und der leichtlebige Schweizer Schriftsteller Tüverlin Feuchtwanger? Und Johanna Krain seine Frau Marta? Und der Komiker Balthasar Hierl soll Karl Valentin sein? Nur wer mit dem Monteur Rupert Kutzner gemeint war, erkannten selbst Berliner Leser sofort. Denn Feuchtwanger gibt Kutzner eine helle, manchmal leicht hysterischer Stimme, dünne Lippen mit einem winzigen, dunklen Schnurrbart, mit pomadig gescheitelte Haar über dem fast hinterkopflosen Schädel und eine Gesicht mit maskenhafte Leere. Rupert Kutzner ist Hitler.
Diesen Spitzenplatz auf dem deutschen Buchmarkt, den Feuchtwanger sich im Laufe von sieben Jahren eroberte, bekam er mit seinem Roman „Jud Süß“, den zunächst kein Verleger haben wollte und der 1925 schlagartig ein Bestseller wurde. In Deutschland, in Österreich, in der Schweiz und völlig überraschend auch sofort im fremdsprachigen Ausland. Dass Londoner und New Yorker dieses Buch lasen und immer mehr es lesen wollten, verdankte Feuchtwanger vor allem zwei germanophilen Schotten, einem Dichter-Ehepaar, Willa Muir und dem Kafka-Spezialisten Edwin Muir, die seinen Rokoko-Roman ins Englische übersetzten und dabei das stilistische Kunststück vollbrachten, die hochpoetischen Metaphern aufzulösen und das Stakkato der Sätze über den Aufstieg und Fall eines Juden der neuen Generation zu verlangsamen und damit readable zu machen. Die beiden Schotten behielten die 42 alten Juden im Auge, auch die 89 sündigen Adeligen und verloren keinen der 265 protestantischen Schwaben. Sie bedienten Liebhaber von kitschigen Herz- und Schmerz-Anekdoten und nebenbei auch britische und amerikanische Antisemiten. In Tracht und Aussehen, schrieb beispielsweise Feuchtwanger, klammerte der alte Jude sich eigensinnig „an das Überkommene“. An die Rasse klammern ihn die beiden schottischen Katholiken: „But in his dress and appearence he clung obstinately to the traditions of his race“.
Das hervorragende Verkauf von „Power“ in London, New York und Melbourne sprach sich unter Buchhändlern und Rezensenten schnell weltweit herum und hatte zur Folge, dass mehrere europäische Verleger auf den deutschen Autor von historischen Romanen aufmerksam wurden und nicht nur den Süß, sondern auch die „Herzogin“, „Erfolg“ und andere Bücher von ihm übersetzen ließen und in die Buchläden brachten. Bis zu dem Schicksalsjahr 1933 druckten 33 Verleger weltweit 72 Titel in 17 Sprachen, zusätzlich zu den Büchern auf dem deutschen Markt, der aber ab 1933 zu 80 % wegbrach. Denn Feuchtwanger durfte 1933 nur noch in Österreich und in der Schweiz verkauft werden. Der Monteur Rupert Kutzner, der Mann, den Feuchtwanger 1930 in seinem Bayernroman „Erfolg“ noch mit großem Vergnügen verspotte, wurde 1933 nicht bloß „Kini“ auf dem Münchener Oktoberfest, sondern Reichskanzler von ganz Deutschland und nahm Rache. Feuchtwanger gerade im Ausland wagte nicht, nach Deutschland zurück zu gehen und nahm in Kauf, dass seine wirtschaftliche Existenz in Deutschland vernichtet würde. Und das wurde sie. Es fand nicht nur eine Ausbürgerungsenteignung statt, das Finanzamt Zehlendorf erließ gegen ihn sogar einen Reichsfluchtsteuerbescheid.
Aber diese totale Existenzvernichtung in Deutschland hinderte den international gefragten Schriftsteller nicht am Schreiben. Er blieb im Ausland und richtete sich in Südfrankreich, in Sanary-sur-Mer ein neues Dichterbüro ein. Feuchtwanger beschaffte sich alles, was er brauchte, um die gerade angefangenen Romane zu beenden und neue zu schreiben, vor allem die Primär- und Sekundärliteratur für Essays, Erzählungen und große Romane. Deutschsprachig veröffentlichen konnte er nur in Paris und Amsterdam. In kleinen Auflagen. Es erschienen der Aufsatzband „Die Aufgabe des Judentums“ (1933), der Roman „Die Geschwister Oppenheim“ (1933), „Marianne in Indien und sieben andere Erzählungen“ (1934), „Die Söhne“ (1935), „Stücke in Prosa“ (1936), der Roman „Der falsche Nero“ (1936), der Reisebericht „Moskau 1937 (1937), „Zwei Erzählungen“ (1939) und der Roman „Exil“ (1940). Am erfolgreichsten war der Reisebericht über seinen Stalinbesuch. Feuchtwanger stieg damit auf zu einem international bekannten Fürsprecher der Volksfrontidee, ein Engagement, das sich für ihn über seine Tod hinaus und auch noch nach dem Untergang der Sowjetunion „bezahlt“ machte. 60% aller bis heute Übersetzungen wurden für den Buchmarkt des ehemaligen Ostblocks gemacht. Aber 1940 in Frankreich wurde Feuchtwanger nicht von Stalin vor Hitler gerettet, die beiden hatte ja noch einen Nichtangriffspakt, sondern von der Frau des amerikanischen Präsidenten Roosevelt, die ihn in die USA holte, wo er in Kalifornien sehr schnell wieder in der Lage war, seine angefangenen Romanprojekte abzuschließen und neue Verträge mit verschiedenen internationalen Medieneinrichtungen zu vereinbaren. Schwierigkeiten gab es mit deutschsprachigen Veröffentlichungen in den Kriegsjahren. Der Bericht „Unholdes Frankreich“ erschien in Mexiko (1942), der Roman „Die Brüder Lautensack“ in London (1944), in Stockholm die Romane „Simone“ (1944) und „Der Tag wird kommen“ (1945), in Amsterdam der Roman „Waffen für Amerika“(„Die Füchse im Weinberg“, 1947-48; „Proud Destiny“).
Mit dem Kriegsende ist der Bann gebrochen. Feuchtwanger veröffentlicht wieder in Deutschland. In die Buchländen kommen die Romane „Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis“ (1951; „This is the Hour, a Novel about Goya“), „Spanische Ballade“ („Die Jüdin von Toledo“,1955; „Raquel, the Jewess of Toledo“), „Jefta und seine Tochter“ (1957; „Jephta and his Daughter“) und so weiter. Insgesamt erschienen bis zu seinem 50. Todestag im Jahre 2008 rund 309 deutschsprachige Ausgaben seiner Werke, 706 Übersetzungen in 38 Fremdsprachen, 360 belletristische Beiträge in 15 Fremdsprachen, 747 Essays in 15 Fremdsprachen, 64 Bearbeitungen und 210 Produktionen für Bühne, Radio, Kino und Fernsehen. Dabei waren viele einfallsreiche Menschen aus sehr verschiedenen Kulturen am Werk: Lyriker, Hörspielautoren, Drehbuchschreiber, Dramatiker und viele, viele feinfühlige Übersetzer, die sich von Feuchtwangers Poetik des historischen Erzählens inspirieren ließen. Auch der Autor und Regisseur von „Feuchtwanger lebt“. Auch Herbert Krill geht Feuchtwangers Weg. Er lässt Verwandte, Freunde und Experten zu Wort kommen, die von dem Schriftsteller heute noch fasziniert sind und denen diese Begeisterung auch anzusehen ist. Als ob sie ihm vor kurzem begegnet wären.
Diesen Eindruck erwecken zwei junge Literaturwissenschaftlerinnen, die Leben und Werk des Schriftstellers in- und auswendig kennen. Sie haben schöne Gesichter. Darauf ist zu sehen, dass die eine, Heike Specht sehr betroffen ist, weil die vielen Juden, die Feuchtwanger porträtierte, letztlich an der Assimilation scheiterten. „Das ist eines seiner großen Themen und sagt viel aus über ihn, glaub ich. Weil er sich seines Judentums immer bewusst war.“ Ja, und mit einer kleiner Wendung des Gesichtes zur Seite deutet Tanja Kinkel an, dass sie noch mehr weiß, als sie gerade sagt: „Er war auch später noch, als er sich längst für sich selbst gegen die Orthodoxie entschieden hatte, fasziniert von jüdischer Theologie und kam immer wieder in seinem Romanen auch darauf zurück.“ Gelungene Camouflagen historischen Erzählens sind auch die Gefühlsausbrüche des Kabarettisten Dieter Hildebrand. Über den Schlüsselroman „Erfolg“ spricht er mit einer berufsmäßigen Leidenschaft, dass der Kameramann nur den redenden Kopfes zu zeigen braucht: “Das ist ein ausgesprochen bayrisches, hinterlistiges Buch. Es kann nur von einem Bayern geschrieben worden sein, der genau gewusst hat, wie man schiebt und wie man schmiert, und wie man, wie man Urteile verändert, und wie man Menschen erledigt, wie man sie erniedrigt und wie man sie vernichtet. Und das ist das Buch, und das hat natürlich auch schon etwas mit dem aufkommenden Nationalsozialismus zu tun. Feuchtwanger hat gespürt, dass München der Herd ist für das Feuer, das später entstanden ist. Hier ist der Nationalsozialismus entstanden, und hier ist er zur Blüte geraten. Und von hier aus ist er in die anderen Länder exportiert worden. Und das hat Feuchtwanger geschrieben, und das, glaube ich, nehmen die Münchner ihm heute noch übel“.
Mit einem Schreibtisch erinnert Herbert Krill an Feuchtwangers büromäßiges Dichten. Er setzt den Biographen Volker Skrierka an ein schönes Möbel und lässt ihn Fragen zu Feuchtwanger beantwortet, wie einen gepflegten Schalterbeamten: „Wie wenig Feuchtwanger geeignet war, sich ins politische Tagesgeschäft einzumischen, zeugt sein Buch „Moskau 1937“. Auf Einladung der sowjetischen Regierung hat er, wie viele andere Schriftsteller, Moskau besucht, er hat Stalin getroffen und darüber hinterher ein Buch veröffentlicht, in dem Stalin, ja, ziemlich gut wegkommt, manche sagen verherrlicht wird. Viele Autoren sind auf Stalin damals reingefallen. Es gab für Feuchtwanger eine Tasse Tee; die Zeitungen, russischen Zeitungen haben also freundlich über Feuchtwanger berichtet. Das schmeichelte ihm natürlich. Und er hat dann ein Buch veröffentlicht, das natürlich eher, glaube ich, hinterher hat er dann zwar nie wieder darüber gesprochen, aber Marta Feuchtwanger hat mir zu verstehen gegeben, dass ihm diese Geschichte hinterher sehr peinlich war und sehr unangenehm war. Feuchtwanger hat sich auch nie zum Kommunismus als solchem bekannt. Ich glaube, er war ein aufgeklärter, ein aufgeklärter Mensch, politisch denkend, aber aktuell sehr unpolitisch im Handeln“.
Und zwei Bänke stilisiert Herbert Krill zu Sinnbildern von Freundschaft. Die eine steht vor der Villa Aurora. Feuchtwanger und Brecht sitzen darauf und werden immer wieder gezeigt. Herbert Krill hat das Foto auch in seinem Film, stiftet aber mit einer Bank vor dem Berliner Ensemble, auf die er den Biographen Manfred Flügge setzt, neben Brecht, eine neu Freundschaft, die Flügge erlaubt, Vornamen zu verwenden: „Man kann sagen, dass Marta Lions Leben und Werk vollendet hat. Lion stirbt im Dezember 1958, erfolgreich aber unversöhnt. Geärgert auch durch die Amerikaner, die ihm die Staatsbürgerschaft verweigert haben. Deshalb hat er das Land nie verlassen. Er hatte Angst, dass man ihn genau wie Chaplin 1952-- nicht mehr ins Land lässt und er zum dritten Mal ein Haus und eine Bibliothek verliert. Das wollte er nicht riskieren. Marta erhält einen Monat nach Lions Tod die amerikanische Staatsbürgerschaft und sie macht all das, was Lion verwehrt wurde, sie nimmt viele Ehrungen entgegen und sie söhnt sich auch mit Deutschland aus, und was ihr besonders gefallen hat, ist die Friedensbewegung Anfang der 80er Jahre, da lässt sie sich sogar zu dem Satz hinreißen „Ich fange an, auf Deutschland stolz zu sein“. Wenn eine Emigrantin das sagt, das ist doch etwas.“
Einzigartig und unvergesslich innerhalb Herbert Krills TV-Poetik des historischen Erzählens sind die Luftaufnahmen. Herbert Krill erinnert mit ihnen an die Vogelperspektive am Anfang von „Jud Süß“. Der Erzähler blickt da von oben nach unten und sieht die Straßen ziehen wie ein Netz von Adern über das Land, sich verquerend, verzweigend, versiegend. „Alles Blut des Landes floss durch diese Adern. Die holperigen, in der Sonne staubig klaffenden, im Regen verschlammten Straßen waren des Landes Bewegung, Leben und Odem und Herzschlag“. Diesen Blick greift Herbert Krill mit seiner Luftaufnahme auf. Er fliegt vom Los Angeles International Airport nach Pacific Palisades im Norden, wo die Hügel beginnen und die Villa Aurora steht. Auf seinem Flug sehen wir unter uns einen leuchtendes Netz von Highways, Freeways, Boulevards, Avenues, einander kreuzend, sich verzweigend, eingebunden in das große Kreuz, das der San Diego Freeway und der Santa Monica Freeway miteinander bilden und auf dem viele Autos unterwegs sind. Und während des Anflugs auf die Villa Aurora lässt Krill Feuchtwanger im Originalton sagen: „So um das Jahr 40 waren eine ganze Menge großer deutscher Autoren hier: Thomas und Heinrich Mann, Brecht, Werfel, Bruno Frank, Alfred Neumann, viele viele andere, und wir hatten eine große geistig interessierte deutsche Kolonie. […..] Und alle sind eigentlich unabhängig voneinander hierher gekommen. [..] Wir wurden wohl angezogen von der gleichen Situation, von der gleichen Lage, vom gleichen Klima.“ Und angekommen in der Villa Aurora, erinnert Krill, dass die alte Dichterklause nicht zur Ruine verkam, sondern zu einer modernen Künstlerresidenz für junge Stipendiaten umgebaut wurde, für Schriftsteller, Bildende Künstler und Drehbuchautoren, ja sogar für eine Oscar-Party. Der Oscar-Preisträger Volker Engel ist fasziniert von der Tatsache, dass hier einmal Filmkünstler und Dichter einander begegneten, beispielsweise Charlie Chaplin und Thomas Mann: „Villa Aurora bedeutet für mich eindeutig einen Treffpunkt“.
Viele von Lion Feuchtwangers literarischen Stilmittel des historischen Erzählens wurden von Herbert Krill adaptiert, viele erfindet der Autor und Regisseur neu für Film und Fernsehen. Alles in allem eine sehenswerte Mitteilung zum 50. Todestag. - „It’s nearly like Feuchtwanger!“
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Die Jüdin von Toledo: Spanienbilder aus dem kalifornischen Exil
Premiere
International Feuchtwanger Society
Members Meeting / Mitglieder-Treffen
Villa Aurora, Pacific Palisades
September 17, 2015
AGENDA
1. Welcome / Begrüßung
2. Treasurer’s Report / Bericht des Schatzmeisters
3. Election of Officers / Wahl des...
Weitere Informationen: ullmann@usc.edu